Jede erfolgreiche Marke ist exklusiv
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Ist Exklusivität eigentlich gut oder böse? Für viele ist es zumindest ein Reizwort. Man kann zu diesem Begriff irgendwie nicht neutral stehen. Ein bisschen ist das wie bei der „Bild“-Zeitung: Man findet sie abscheulich oder irgendwie mutig, und sie ist übrigens eine sehr exklusive Marke, aber dazu später mehr.
Wenn man das Wort „Exklusivität“ anhand seiner lateinischen Herkunft übersetzt, klatschen Sozialromantiker nicht unbedingt begeistert in die Hände: „Excludere“ bedeutet „ausschließen“. Klingt nicht besonders basisdemokratisch. Wer exklusiv ist, schließt andere aus.
Eigentlich pfui, oder? Doch lassen Sie uns mal ein Gedankenexperiment wagen: Was könnte denn gut daran sein, wenn man bestimmte andere ausschließt? Das könnte ja bedeuten, dass es auch Menschen gibt, für die man ganz besonders da sein möchte. Vielleicht bedeutet es auch, dass man sprichwörtlich nicht jeden „an sich heranlassen“ muss, was es sehr viel leichter machen kann, bei sich zu bleiben und nicht jedem gefallen zu müssen.
Annika Lyndgrun
Die studierte Kommunikationsdesignerin führt ein Büro für Design- und Markenstrategie für inhabergeführte Unternehmen, wo gemeinsam mit ihrer Kundschaft werte- und resonanzbasierte Marken und Markendesigns entwickelt.
Eine starke Marke sagt öfter Nein als Ja
Eine exklusive Marke zu führen, bedeutet also eigentlich nur, zu einer ausgesuchten Gruppe von Menschen Ja zu sagen und Nein zu allen anderen. Alle erfolgreichen Marken gehen so vor. Womit wir zum Beispiel „Bild“-Zeitung kommen. Hinter der Marke steht eine sehr genaue Vorstellung davon, vom wem sie abgelehnt und von wem sie geliebt wird. Es passt nicht gerade zum Selbstbild eines 33-jährigen Montessori-Pädagogen aus Berlin-Mitte, wenn er neben der „Süddeutschen“ auch die „Bild am Sonntag“ abonniert hat. Und selbst wenn er das tut, würde er wohl nicht offen darüber sprechen.
Doch für die Zielgruppe der „Bild“-Leserinnen und -Leser hat das Boulevard-Blatt eine große Bedeutung: Die Zeitung wird oft als Anwalt des kleinen Mannes wahrgenommen, der „denen da oben“ noch ordentlich die Meinung geigt. Egal, wie man persönlich zur „Bild“-Zeitung steht: Wofür diese Marke steht, ist klar definiert. Sie bestärkt das Selbstbild ihrer Zielgruppe. Wer das als Markenführer kennt, hat eben ein sehr mächtiges Werkzeug in der Hand.
Wenn ein Friseur eigentlich keinen Haarschnitt verkauft
Ein anderes Beispiel stammt aus meiner Nachbarschaft in Düsseldorf. Meiner Meinung nach können große Marketing-Agenturen von diesem Friseur noch sehr viel lernen. Dieser Mann betreibt ein Friseurstudio, das aus einem einzelnen Waschtisch und einem einzelnen Frisiertisch besteht. Mehr braucht er nicht, denn er bedient nur zwei Kundinnen am Tag. Pro Behandlung („Haarschnitt“ wäre ein zu kleines Wort) nimmt er entsprechend gutes Geld. Auch wenn hier echte Handwerkskunst auf den Köpfen der Kundinnen passiert: Verkauft der Mann ihnen wirklich eine Frisur?
Wenn man sich seine Zielgruppe anschaut, wird vieles klar: Unternehmerinnen, Gattinnen von Politikern, weibliche Führungskräfte aus den großen Düsseldorfer Unternehmen etc. Diese Zielgruppe hat offenbar kein finanzielles Problem, aber dafür ein anderes sehr drängendes: Sie finden persönlich in ihrem eigenen Alltag kaum statt. Me-Time? Anerkennung? Fehlanzeige. Ihr Friseur gibt ihnen das Gefühl, für mindestens zwei Stunden die wichtigste Frau der Welt zu sein. Dafür hat er sogar eine Barista-Ausbildung gemacht. Als Kundin muss man ihm auch nicht sagen, wie man den Kaffee gerne hätte. Er weiß das seit dem ersten Gespräch.
Kurzum: Dieser Friseur verkauft uneingeschränkte Zuwendung, die Frisur ist eigentlich gratis. Er hat eine Zielgruppen-Kompetenz und ist damit eine genauso exklusive Marke wie die „Bild“-Zeitung für ihre Zielgruppe.
Exklusive Marken nehmen ihre Zielgruppe ernst
Beide Marken verfügen über eine sehr ausgebaute Zielgruppen-Kompetenz. Sie geht auf eine besonders intensive Auseinandersetzung mit den emotionalen Bedürfnissen der Zielkundschaft zurück. Erfolgreiche Marken kennen die Lebensmotive, Wünsche, Träume, Ängste und Hoffnungen ihrer Zielgruppe. Doch das ist noch nicht alles: Sie kennen auch ihre aktuelle Situation, ihr Selbstbild und ihre Wunschsituation. Sehnsüchte der Zielgruppe können erfolgreiche Marken daher immer deutlich besser abbilden, als diese sie selbst formulieren könnten.
Hinter der „Bild“-Zeitung stehen genaue Vorstellungen davon, in welcher Lebenswirklichkeit sich ihre Leserschaft befindet, mit welchen Gefühlen das verbunden ist und wem die Schuld daran zuzuschreiben ist. Der erwähnte Friseur weiß genau, dass seine Kundinnen sich in ihrem Alltag nicht wahrgenommen fühlen. Wenn sie seinen Salon verlassen, haben sie ihr Selbstwertgefühl zurückbekommen. Beiden Marken gemeinsam ist, dass sie auf einem präzisen Bild davon aufbauen, wie die Reise der Kundschaft mit dem Produkt aussieht und was währenddessen emotional passiert.
Exklusivität erfordert empathische Arbeit
Eine gute Marke trifft immer ins Herz der Zielkundschaft. Und wer das erobert hat, hat für sein Unternehmen ein echtes Goldnugget gefunden. Doch das gelingt nur, wenn wir viel Empathie für unsere Zielkundschaft aufbringen und ihre emotionalen Bedürfnisse ernst nehmen. All dies macht deutlich, dass man seine Zielkundschaft wirklich sehr mögen sollte. Alles andere macht zu viel Arbeit und zu wenig Gewinn. Man muss sich mit ihr gerne und regelmäßig auseinandersetzen und zwischen den Zeilen lesen wollen.
Wir Menschen und unsere Leben, Werte und Haltungen sind so vielfältig, dass eine Marke nur einer bestimmten Gruppe eine emotionale Heimat bieten kann. Und genau das können wir von exklusiven Marken lernen.