Schöpfe – Programmiere – Multipliziere
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Die Stärke der deutschen Wirtschaft ist nach wie vor der Mittelstand – in der Regel als Familienunternehmen, hochgradig spezialisiert und exportstark. An der Spitze stehen die sogenannten „Hidden Champions“, die Professor Herman Simon (weltbekannter Ökonom und Gründer des international agierenden Beratungsunternehmens Simon Kucher) erstmals identifizierte: Mittelständische Weltmarktführer, wie der Reinigungsspezialist Kärcher, der Bahn- und Autozulieferer Knorr-Bremse oder etwa der Computerzubehöranbieter Logitech. Simon fand heraus, dass ein wesentlicher Erfolgsfaktor dieser häufig recht unbekannten Unternehmen in der Anwendung der sogenannten EKS®-Strategie liegt.
Was ist die EKS-Strategie?
Diese Strategielehre wurde Anfang der 1970er-Jahre von Wolfgang Mewes (1924 bis 2016) entwickelt. Der Betriebswirt und Verleger setzte sich kritisch mit den damals herrschenden Meinungen der Betriebswirtschaftslehre auseinander. In einer Zeit, in der viele Konzerne strategisch auf die Diversifikation zur vermeintlichen Risikostreuung setzen.
Mewes, der im Jahr 2024 hundert Jahre alt geworden wäre, analysierte bereits in eigenen empirischen Studien seit den 1950er-Jahren die charakteristischen Erfolgsfaktoren professioneller Karriereverläufe seiner Lehrgangsteilnehmer und erfolgreicher, wachstumsstarker Unternehmen. Er erkannte frühzeitig, dass die Spezialisierung auf die Bedürfnisse klarer Zielgruppen der Schlüssel ist – und somit ziemlich genau das Gegenteil der Diversifikation, mit der Konzerne, wie etwa Daimler-Benz in der Reuter-Ära, Schiffbruch erlitten.
So ist es kein Wunder, dass auch viele bekannte und nachhaltig erfolgreiche Franchise-Systeme auf die Anwendung der EKS®-Strategie zurückzuführen sind. Die Fitnesskette „Kieser Training“ etwa wurde 1967 vom Schweizer Werner Kieser in Zürich gegründet. Aus einem Fitness-Studio für Spitzensportler in Zürich wurde seit Beginn der 1980er-Jahre ein höchst erfolgreiches Franchise-System mit nunmehr über 170 Kieser-Studios in Deutschland, Österreich, Luxemburg, Australien und der Schweiz, strategisch konzipiert nach den Kooperationsprinzipien der EKS®. Die Kunden schätzen die Zielstellung des Unternehmens, das sich von trendigen Fitnessstudios erheblich unterscheidet – Gesundheit und Schmerzfreiheit bis ins hohe Alter.
Der von Jürgen Dawo im Jahr 1997 gegründete Massivhausanbieter „Town & Country Haus“ aus Thüringen ist führend in Deutschland und verfügt inzwischen über 300 regionale Partner. Seine strategische Leistung besteht vor allem darin, dass er die Engpässe seiner Kunden klar erkannt hat und professionell bedient. Junge Familien wollen angesichts der hohen Investition eines Hausbaus abgesichert sein – so gibt es einen Finanzierungsservice, eine Festpreisgarantie, Bauzeitgarantie und vieles andere mehr.
Die bekannte Baumarkt-Handelskette „OBI“ mit etwa 650 Filialen in Europa, die Fachhandelskette für Tiernahrung und -zubehör „Fressnapf“ oder die „Musikschule Fröhlich“ sind weitere Beispiele für Franchise-Unternehmen, die mit der Anwendung der EKS®-Strategie ihre heutige, führende Stellung erreicht haben.
Doch was steckt hinter dieser Strategielehre, die offensichtlich den deutschen Mittelstand enorm beeinflusst hat? Wolfgang Mewes hat frühzeitig deren Bedeutung für die Entwicklung von Unternehmen erkannt und entwickelte die Engpasskonzentierte Strategie, kurz EKS®. Diese basiert auf verschiedenen Prinzipien und einem systematisch zu durchlaufenden Vorgehensmodell mit sieben Phasen.
Auch wenn diese Strategie durch fundierte wissenschaftliche Konzepte abgesichert ist, so ist die eigentliche Idee leicht verständlich und einfach anwendbar. Wichtig ist vor allem, dass ein Unternehmen eine klare Zielgruppe bedient und sich auf den Nutzen für die Bedürfnisse dieser Zielgruppe spezialisiert.
Wolfgang Mewes und die damals sehr große Community hat interessanterweise frühzeitig das Franchise-System als den Königsweg der Vertriebssysteme erkannt. Eines seiner wichtigsten Erfolgsprinzipien lautet: „Schöpfe – programmiere – multipliziere“:
- schöpfe (nämlich eine überzeugend bessere Lösung)
- programmiere (mache sie automatisch reproduzierbar)
- multipliziere (lasse sie von anderen reproduzieren)
Im Grunde hat das bereits Henry Ford mit seinem Ford Model T erkannt. Er schuf ein attraktives, aber variantenarmes Produkt, das sich über Fließbandarbeit in den Fabriken millionenfach reproduzieren ließ.
Und genau hier setzt Franchise als Kooperationsmodell an. Ein Franchisegeber hat im Sinne der EKS®-Strategie zwei Zielgruppen – einmal den Endkunden, dessen Bedürfnisse befriedigt werden müssen, und dann auch den Franchisenehmer, der durch seine Einbindung in das System des Franchisegebers erfolgreich agieren kann.
Das führt zu der strategischen Konsequenz, dass ein Franchisesystem nur dann erfolgreich sein kann, wenn man sich dauerhaft auf den Nutzen aller Beteiligten konzentriert. Somit muss diese Kooperationsform eine Win-Win-Situation aller Beteiligten kreieren. Der Franchisenehmer bringt seinen unternehmerischen Elan, seine Arbeit und sein Kapital ein. Das wiederum erleichtert dem Franchisegeber das nachhaltige Wachstum seines Systems. Somit fungiert die EKS® als eine Art Integrationsstrategie, die gleichermaßen zielgruppen- und nutzenorientiert ist. Durch die konsequente Spezialisierung und die Festlegung von präzise definierten Kundengruppen ist auch das unternehmerische Profil des Systems klar erkennbar und skalierbar.
Zusammenfassend kann man folgern, dass sowohl die deutschen Weltmarktführer als auch die erfolgreichen Franchisesysteme ihren Erfolg auf einer durchdachten Spezialisierungsstrategie begründen. Hier steht eben nicht die betriebswirtschaftlich ausgerichtete Gewinnmaximierung im Vordergrund, sondern die Nutzenmaximierung der beteiligten Zielgruppen. Und genau das macht den Unterschied, begründet den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen und damit die Stärke der deutschen Wirtschaft.
EKS® ist ein eingetragenes Warenzeichen der Malik Management Zentrum St. Gallen AG.
Prof. Dr. Nils Herda ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen und ist als Strategieberater für Hidden Champions sowie Digitalunternehmen tätig.
Dr. Thomas A. Jesch ist geschäftsführender Vorstand des Bundes Institutioneller Investoren e. V. in Frankfurt am Main und in verschiedenen beruflichen Konstellationen jahrzehntelanger EKS®-Anwender.