STETIG STEIGENDER BEDARF

Mit der steigenden Lebenserwartung steigt auch der Bedarf an Pflegedienstleistungen – ein wachsender Markt voller Herausforderungen, der aber immense Chancen bietet.

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Die breite öffentliche und mediale Diskussion zum Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) zeigt, dass das Thema Altenpflege in der Bevölkerung angekommen ist. Vor zehn Jahren noch fanden weitaus größere Gesetzgebungsvorhaben in diesem Sozial- versicherungsbereich nur unter Fachleuten Aufmerksamkeit. Einer der Gründe dafür könnte darin liegen, dass mittlerweile in fast allen Familien der Generation Baby-Boomer zumindest ein Elternteil pflegebedürftig war, ist oder in absehbarer Zeit sein wird. Und das ist erst der Anfang – der Bedarf an Unterstützungsangeboten im Alter wird weiter steigen.

Mit zunehmendem Alter steigt der Pflegebedarf

Eigentlich eine erfreuliche Entwicklung: Dank der stetig steigenden Lebenserwartung sind immer mehr Menschen selbst im hohen Alter noch aktiv, reisen und nehmen am gesellschaftlichen Leben teil. Allerdings nimmt mit den Jahren auch die Wahrscheinlichkeit der Pflegebedürftigkeit deutlich zu. Der DESTATIS-Pflegestatistik 2023 zufolge waren im Jahr 2021 fünf Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Von Alterscluster zu Alterscluster steigt deren Zahl: In der Gruppe der unter 60-Jährigen liegt die Quote bei rund einem Prozent, bei den über 90-Jährigen hingegen sind bereits 70 Prozent der Männer und 87 Prozent der Frauen pflegebedürftig. Zwar bleiben immer mehr Menschen auch bis ins hohe Alter gesünder, die Zahl der Pflegebedürftigen steigt trotzdem, weil die Bevölkerung insgesamt immer älter wird. Dabei zeigen sich auch geschlechtsspezifische Unterschiede: So ist die Pflegequote bei Frauen jenseits des 75. Lebensjahrs höher als bei Männern. Hochaltrige Frauen benötigen also häufiger Pflege als gleichaltrige Männer. Das liegt einerseits an der niedrigeren Lebenserwartung von Männern, die andererseits im Vergleich zu Frauen widerstandsfähiger und häufiger bis ins hohe Alter gesundheitlich weniger beeinträchtigt und entsprechend seltener pflegebedürftig sind. Dieser Unterschied wird gerade erforscht.

Der demografische Wandel

Die Bevölkerung in Deutschland unterliegt, wie in anderen OECD-Mitgliedsstaaten, einem raschen Alterungsprozess: Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung nimmt deutlich und mit wachsender Dynamik zu. Der oben beschriebene Zusammenhang von Alter und Pflegebedürftigkeit in Kombination mit dem zunehmenden Anteil hochaltriger Menschen an der Bevölkerung zeigt sich auch hier: Von 1999 bis 2021 stieg die Zahl der Personen mit Pflegegrad von zwei auf fünf Millionen. Hochgerechnet, unter der Annahme, dass die derzeitigen alters- und geschlechtsspezifischen Pflegequoten unverändert bleiben, lässt sich ein weiterer Anstieg um fast sieben Millionen Menschen mit Pflegebedarf bis zum Jahr 2060 prognostizieren.

Die Baby-Boomer-Jahrgänge der vom Ende der 1950er und in den 1960er Jahren Geborenen tragen wesentlich zu dieser Entwicklung bei. Sie erreichen ab 2030 ein Alter mit zunehmendem Pflegebedarf. Offen ist dabei allerdings, inwiefern die aktuell geltenden Einstufungskriterien für Pflegegrade, die für die statistische Erfassung und die Leistungen der Pflegeversicherung relevant sind, bis dahin beibehalten werden. Unterstützungsbedarf entwickelt sich im Alter auch vor der offiziellen Anerkennung eines Pflegegrads. Die Nachfrage von Unterstützungsangeboten wird also insgesamt zunehmen. Das belegt schon heute die Zahl einschlägiger Online-Portale, die Dienstleistungen auch jenseits der von der Pflegeversicherung finanzierten für die Altersgruppe Ü70 vermitteln.

Der kleine Unterschied

Die beschriebenen geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Pflegebedarf und Pflegequoten können auch auf ein unterschiedliches Beantragungsverhalten bei Männern und Frauen zurückzuführen sein. Da Männer statistisch früher versterben, leben gerade ältere Frauen häufiger allein, zumal ihre Partner meist älter waren als sie. Steigt der Unterstützungsbedarf verwitweter Frauen, wird die Beantragung der Anerkennung eines Pflegegrades um so dringender, da er die Grundlage für die Inanspruchnahme institutioneller Pflege- und Betreuungsleistungen sowie deren Finanzierung über die Pflegeversicherung bildet.

Menschen wollen zu Hause versorgt werden.

Mehr als 75 Prozent der fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland wurden im Erhebungsjahr 2021 zu Hause versorgt – mehrheitlich durch Angehörige. Nur bei rund 20 Prozent von ihnen übernehmen ambulante Pflege- und Betreuungsdienste diese Aufgabe. Der Anteil der vollstationär in Pflegeheimen Versorgten liegt bei knapp 17 Prozent. Gerade in den unteren Pflegegraden erfolgt die Versorgung vorwiegend in der eigenen Wohnung.

Angesichts der weiter steigenden Zahl der Hochaltrigen und allein Lebenden werden die Unterstützungsangebote schnell zunehmen müssen. Dabei wird von Dienstleistern, wie schon in den letzten 15 Jahren in der vollstationären Pflege, eine hohe Struktur- und Ergebnisqualität gefordert werden. Politisch und medial sicherlich nicht gewollt ist eine Gefährdung der auf Unterstützung Angewiesenen zu Hause, was zu entsprechenden Debatten führen wird. Da zugleich die finanziellen Spielräume der Sozialversicherungen schwinden werden, bedarf es skalierbarer Angebote. Die Zahl der in Unternehmensgruppen und im Franchise tätigen ambulanten Pflege- und Betreuungsdienste wird damit sicherlich steigen.

Insgesamt zeigt sich, dass der Pflegemarkt viel Potenzial birgt. Die für die Erbringung der Leistungen erforderlichen Kräfte zu gewinnen, wird eine der großen Herausforderungen sein. Genau wie bei der Qualität der Pflege- und Betreuungsangebote wird hier die Bedeutung einer durchgängig erlebbaren Employer Brand und eigener Qualifizierungsprogramme wichtiger werden – was vor allem größere Unternehmensgruppen und Franchisesysteme in den Fokus rückt.

THOMAS EISENREICH

Geschäftsführer des Bundesverbandes der Betreuungsdienste e. V., Köln

bbd.care

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