RÜCKZUG DER BABYBOOMER
Im Interview mit ARNE DÄHN, Deutscher Franchiseverband e.V. & AYSE MESE, Deutsche Unternehmerbörse DUB.de GmbH & MARCUS SEVERIN, FranchiseForYou
Interview: Antje Katrin Piel
Die Regelung der Unternehmensnachfolge sitzt vielen Firmeninhabern im Nacken – eine Herausforderung für den unternehmerischen Mittelstand, die auch eine gesamtgesellschaftliche ist. Und die macht auch vor der Franchisewirtschaft nicht Halt: Für rund 40 Prozent der Franchisesysteme ist sie ein drängendes Thema, denn es stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel. Knapp 150 000 Franchisepartner sichern die Existenzen von etwa 830 000 Arbeitnehmern. Nun kommen die Kinder der geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, so langsam in ein Alter, da sie ans Aufhören denken – und damit wird das Problem akut. Wir haben nachgefragt: Wie sehen Praktiker das?
Welche Bedeutung hat das Thema aus Ihrer Sicht für die Franchisewirtschaft?
Arne Dähn (A. D.): In Deutschland ist es von enormer Bedeutung, insbesondere der Generationenwechsel bei Franchisenehmern. Nicht nur weil sich die geburtenstarken Jahrgänge jetzt zurückziehen, die Unternehmensnachfolge per se ist eine sehr schwierige Aufgabe: Neben rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen spielen auch Emotionen eine Rolle, die einen solchen Prozess erschweren können. Daher sollte auch die Phase der Beendigung einer Partnerschaft Teil jedes Franchisepakets sein und von vornherein vom Franchisegeber vorgegeben und begleitet werden. Dafür muss es klare Regeln geben.
Warum ist es so wichtig, die Unternehmens- nachfolge und -übergabe rechtzeitig anzugehen und geordnet abzuwickeln?
Marcus Severin (M. S.): So etwas lässt sich in der Regel nicht nebenbei erledigen. Es muss eine für alle Beteiligten gute, nachhaltige und zufriedenstellende Lösung gefunden werden. Ein geordneter Prozess führt zu mehr Zielorientierung und Klarheit in der operativen Umsetzung – mit besserem Ergebnis. Eine strukturierte Vorgehensweise schafft auch die dafür erforderliche „Ruhe“ und Objektivität. Eine gute Unternehmensnachfolge braucht zudem Zeit, und ein geordneter Übergabeprozess kann sogar ein „Verkaufsargument“ in der Akquisitionsphase sein. Hat ein System einen strukturierten und transparenten Nachfolgeprozess entwickelt, wird dies als professionell und nachhaltig wahrgenommen.
Wie viele Modelle für eine Unternehmensübergabe gibt es, insbesondere im Franchising?
A. D.: Aktuell sind es drei, die wir auch mit Verbandsmitgliedern intensiv besprechen. Zu differenzieren ist zwischen Franchisegeber- und Franchisenehmernachfolgen. Bei Franchisenehmern gibt es die geplante Unternehmensnachfolge, die bestenfalls schon bei Vertragsbeginn mitgedacht und mit entsprechendem Vorlauf von Franchisegeber und -nehmer gewollt umgesetzt wird. Es gibt aber auch ungeplante, etwa wenn der Franchisenehmer temporär oder endgültig ausfällt und den Vertrag nicht mehr erfüllen oder den Standort nicht mehr führen kann – eine besondere Herausforderung für den Franchisegeber. Er muss dann nicht nur kurzfristig einen neuen Partner finden, ggf. muss er den Betrieb interimsmäßig selbst führen.
Aber auch Franchisegeber geben ihr Unternehmen altersbedingt irgendwann an die nächste Generation weiter – entweder innerhalb der Familie oder durch einen Verkauf, bei dem auf jeden Fall das Partnermanagement und der daraus resultierende enge Kontakt zu den Franchisenehmern zu berücksichtigen sind. Ein solcher Führungswechsel stiftet oft Unruhe im System und sollte daher sorgsam geplant und vorbereitet sein.
Frau Mese, Sie propagieren die Nachfolge im Franchising als sicheren Weg ins Unternehmertum. Worauf beziehen Sie sich?
Ayse Mese (A. M.): Aus Mangel an Nachfolgern oder bei ungeregelter Nachfolge drohen Firmenschließungen. Zugleich erweist sich so manche Neugründung als riskant. Man braucht neben der zündenden Idee auch Startkapital, muss Risiken abwägen und mit Blick auf den Markt analysieren, um die eigenen Möglichkeiten realistisch einschätzen zu können. Vor allem junge Neugründer werden bei dieser Frage relativ schnell mit der harten Realität am Markt konfrontiert. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, die Übernahme eines schon bestehenden Franchiseunternehmens genauer unter die Lupe zu nehmen. Das passiert aber bisher noch zu selten.
Wie und mit welchen Strukturen könnte da gegengesteuert werden?
A. M.: Unternehmertum schon Jugendlichen an den Schulen näherzubringen, wäre eine sinnvolle Maßnahme. Ebenso, das Thema „Entrepreneurship“ an den Universitäten fest zu verankern und Aufklärung dazu anzubieten. Franchisesysteme könnten sich hier auch öffnen, zum Beispiel durch ihre Präsenz auf Info-Veranstaltungen zur beruflichen Orientierung junger Menschen. Die Vorteile von Übernahmen müssten vor allem Neugründer eigentlich längst erkannt haben.
Inwiefern birgt die Übergabe eines Unternehmens an einen Nachfolger für die Systemzentrale auch Chancen?
M. S.: Je besser die erfolgsrelevanten Voraussetzungen im übergebenden Unternehmen erfüllt sind, desto wahrscheinlicher wird auch weiteres Wachstum. Das ist ein guter Ansatz für die Partnerbetreuung, die Arbeit an Führungsstrukturen, Verantwortlichkeiten und Organisationsabläufe frühzeitig in den Fokus zu setzen und das Unternehmen „nachfolgefähig“ und gleichzeitig besser zu machen.
Wie unterstützt der Deutsche Franchiseverband Mitgliedsunternehmen bei der Suche nach geeigneten Nachfolgern?
A. D.: Wir haben die Problematik gemeinsam mit unseren Mitgliedern früh erkannt und hierzu unter anderem den Round Table Unternehmensnachfolge ins Leben gerufen. Er bietet Mitgliedern regelmäßig Gelegenheit, sich untereinander auszutauschen und drängende Fragen gemeinsam zu erörtern. Darüber hinaus haben wir den Leitfaden Unternehmensnachfolge entwickelt – mit Erfahrungen von Verbandsmitgliedern und daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen. Auch aus unserer Zusammenarbeit mit Unternehmensberatern und Experten resultieren viele Empfehlungen. Ein Beispiel ist die „Nachfolgerbörse“, die wir gemeinsam mit der Deutschen Unternehmerbörse auf unserer Verbandswebsite initiiert haben. Dort kann man nach Standorten in einer Region in Kombination mit einer Unternehmensnachfolge suchen.
Zurück zur Partnerbetreuung: Wie wirkt sie auf spätere Nachfolgeprozesse?
M. S.: Franchise beruht auf Vertrauen, das eine gute Partnerbetreuung schafft und ausbaut. Ein Nachfolgeprozess kann nur dann erfolgreich sein, wenn sich alle Parteien vertrauen. Die Qualität der Partnerbetreuung bildet also die Grundlage und den Katalysator für den späteren erfolgreichen Nachfolgeprozess.

Arne Dähn
Arne Dähn, Stellvertretender Geschäftsführer, Deutschen Franchiseverband

