Von der Idee zum System
Um Franchisegeber zu werden, muss man zunächst wesentliche Voraussetzungen erfüllen. Zahlreiche Publikationen befassen sich mit dem Prozess des Systemaufbaus und vermitteln häufig ein „Idealbild“ davon, wie er perfekt funktionieren kann. Erfahrungsgemäß gibt es jedoch Bereiche, denen bei der Entwicklung von Franchisesystemen und den ersten Implementierungen von Franchisenehmern zu wenig Beachtung geschenkt wird. Das IoE – Institute of Entrepreneurship mit Sitz in Deutschland und Österreich begleitet seit Jahren Systeme auf der Suche nach Franchisenehmern, aber auch potenzielle Franchisenehmer auf dem Weg in die Selbstständigkeit und ihre weitere Entwicklung. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung sollen hier die häufigsten Fehler in der Phase des Systemaufbaus aus der Sicht potenzieller Partner unter die Lupe genommen werden.
1. Proof of concept
Um überhaupt daran denken zu können, die eigene Geschäftsidee zu franchisieren, müssen Franchisegeber in spe ihr Geschäftsmodell zunächst einem hinreichenden Praxistest unterziehen. Mit einem wirtschaftlich erfolgreichen Jahr ist es dabei nicht getan – es sollten mindestens drei Jahre sein, und zwar unabhängig davon, ob es um die Entwicklung eines Dienstleistungs-, Handels-, Gastro- oder eines sonstigen Konzepts geht. Zudem darf die Reproduzierbarkeit des Systems nicht gezielt an einzelnen Personen hängen. Erst am Ende einer solchen erfolgreichen Testphase, in der das Konzept stetig optimiert wird, kann die Expansion über Franchise starten.
2. Tempo der Skalierung
Bei der Planung der Expansion eines Systems sollte man Vorsicht walten lassen. Zwei bis fünf neue Franchisepartner in den ersten beiden Jahren sind absolut ausreichend. In dieser Phase kommt es nämlich sehr darauf an, die ersten neuen Partner umfassend zu schulen und zu betreuen. Zudem wird auch die Standardisierung des Supports der Franchisenehmer in dieser Phase stetig optimiert.
3. Gebietsaufteilung
Die Mehrzahl der Franchisesysteme gewährt Franchisenehmern einen Gebietsschutz. Gerade zu Beginn eines Systemstarts werden solche Gebiete häufig aber zu groß geplant. Besser ist es, tendenziell zunächst kleinere Gebiete festzulegen und den Partnern eine Option auf Erweiterung einzuräumen. So haben erfolgreiche Franchisenehmer die Möglichkeit zu expandieren, während weniger erfolgreiche in kleineren Gebieten gut aufgehoben sind.
4. Partnersuche
Die ersten geeigneten Franchisenehmer zu finden, ist immer eine große Herausforderung. Idealerweise übernimmt als erster Partner ein schon im eigenen Pilotbetrieb bewährter Mitarbeiter ein angrenzendes freies Gebiet. Da dies in der Regel nicht der Fall ist, werden oft Kompromisse gemacht, damit erste Partnerschaften zustandekommen, etwa bei den finanziellen Konditionen, beispielsweise der Eintritts- und der laufenden Gebühr oder beim Anforderungsprofil neuer Partner. In beiden Fällen ist dies keine gute Idee. Besser ist es, die Suche nach ersten Franchisenehmern möglichst breit anzulegen. Zudem empfiehlt es sich, die eigene Suche über einschlägige Online-Portale durch einen genau darauf spezialisierten Personalberater zu unterstützen, der sicherlich ganz andere Suchkanäle nutzt.
5. Onboarding
Potenzielle Franchisenehmer sind vorher sehr häufig selbst Angestellte. Daher ist ihnen der Prozess vom ersten Bewerbungsgespräch über die Einstellung bis zur Einarbeitungsphase eigentlich bekannt. Im Franchising allerdings gestaltet er sich komplett anders, und das ist vielen nicht bewusst. Der Onboarding- Prozess beginnt hier mit der ersten Kontaktaufnahme eines Interessenten und endet erst nach der umfassenden Einweisung nach Vertragsunterzeichnung. Zeitlich ist er recht langfristig definiert, nämlich mit etwa sechs bis zwölf Monaten nach dem Start als Franchisenehmer. Potenziellen Kandidaten muss dieser Prozess von der ersten Kontaktaufnahme an detailliert erklärt und mit einer konkreten Zeitschiene hinterlegt werden. Franchisegeber müssen in jeder Phase aktiv sein.
6. Support für erste Partner
Die ersten Franchisepartner setzen Maßstäbe für die weitere Rekrutierung. Üblicherweise nehmen potenzielle Partner den Kontakt zu bereits aktiven Franchisenehmern auf, um Erfahrungen auszutauschen. Wirtschaftlich erfolgreiche Franchisenehmer sind dann die beste Referenz. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die aktive Unterstützung des Franchisegebers bei der Akquisition von Kunden für neue Franchisepartner ganz wesentlich ist. Aktiv bedeutet in diesem Fall, dem neuen Franchisenehmer auch potenzielle Kunden zuzuführen. Auch dieser Teil des Partner-Supports muss reproduzierbar sein.
7. Individuelle Adaptionen
Franchisenehmer, die nicht von vornherein erfolgreich durchstarten, suchen den Fehler oft nicht bei sich, sondern beim System. Vor individuell ausgehandelten Kompromissen sollte man sich hüten. Führt an Adaptionen bzw. Optimierungen kein Weg vorbei, dann müssen sie das System als Ganzes betreffen.
8. Zusammenarbeit mit Kreditinstituten
Franchisenehmer entscheiden sich zumeist, die Eintrittsgebühren und die Kosten bis zum Erreichen des Breakeven über die Fremdfinanzierung durch eine Bank oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu decken. Manche Geldinstitute sind dem Modell Franchise deutlich mehr aufgeschlossen als andere. Um die Chance auf Bewilligung einer Fremdfinanzierung zu erhöhen, tun Franchisegeber gut daran, dem Kreditinstitut ihr Konzept vorzustellen.
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Dr. Johannes Jungblut
Der geschäftsführende Gesellschafter der IoE – Institute of Entrepreneurship Deutschland und Österreich GmbH in Frankfurt am Main und Sankt Pölten hat jahrelange Erfahrung in der Begleitung zahlreicher Franchisesysteme. Kennengelernt hat er dabei eine Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsmodelle und weiß, welche Probleme bei Systemaufbau und -start auftauchen können, denn er berät auch Franchisenehmer, die den Schritt in die Selbstständigkeit planen.