Pssst, geheim!

Das „Need-to-know-Prinzip“ und seine Herausforderungen

Als im Jahr 2019 das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft getreten ist, wurde es von der Franchisewirtschaft zu Recht begrüßt: Endlich gab es eine gesetzliche Definition, wann ein Geschäftsgeheimnis vorliegt. Zudem regelt es zahlreiche Ansprüche zugunsten der Inhaber von Geschäftsgeheimnissen. Allerdings hatten wir unsere Mandanten schon damals bereits darauf hingewiesen, dass das Gesetz auch erhebliche Risiken birgt. Grund dafür ist, dass der Geheimhaltungsschutz nicht besteht, wenn keine „den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ ergriffen werden. Wenn also der Inhaber eines etwaigen Geschäftsgeheimnisses dieses nicht ausreichend sichert, liegt kein schützenswertes Geheimnis vor.

Zwar haben viele Franchisegeber aufgrund dieses Gesetzes Maßnahmen ergriffen, um das Knowhow ihres Franchisesystems und sonstige Geschäftsgeheimnisse zu schützen. Häufig wurde aber nur wenig strukturiert versucht, erkennbare Mängel zu beheben. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2022 zeigt, dass es leider nicht ausreicht, nur die Regelungen in den Franchiseverträgen überarbeiten zu lassen und Franchisenehmern durch den Erlass von Richtlinien bestimmte Schutzmaßnahmen aufzuerlegen.

Das „Need-to-know-Prinzip“

Dem Franchisegeber in diesem Fall ist das sogenannte „Need-to-know-Prinzip“ zum Verhängnis geworden. Ausgangspunkt dieser Entscheidung war ein Rechtsstreit zwischen einem Franchisegeber und einem ehemaligen Franchisenehmer, den ich für den Franchisegeber führe. Im Rahmen des Verfahrens legte der ehemalige Franchisenehmer zum Beleg seiner Ausführungen Screenshots des aktuellen Protokolls einer Sitzung des Beirats des Franchisesystems vor. Es enthielt Geschäftszahlen des Franchisesystems und befasste sich u. a. mit einer Auswertung der Reklamationen von Kunden, neuen Produkten, Planungen für das kommende Geschäftsjahr sowie IT-, Marketing- und Verbesserungsstrategien. Es war im passwortgeschützten Intranet des Franchisesystems gespeichert, was bedeutet, dass dem ehemaligen Franchisenehmer die Screenshots von einem Dritten überlassen worden sein mussten.

Da der Franchisegeber wissen wollte, wer sie dem ausgeschiedenen Franchisenehmer zugespielt hatte, verklagte er ihn mithilfe einer zweiten Kanzlei auf Auskunftserteilung, von wem die Unterlagen stammen – ein Anspruch, der dem Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses nach dem GeschGehG zusteht. Sowohl das Gericht in der ersten Instanz als auch das Oberlandesgericht Stuttgart haben die Klage bzw. Berufung des Franchisegebers aber abgewiesen.

Ohne Geheimhaltungsmaßnahmen kein Geschäftsgeheimnis

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart liegt kein Geschäftsgeheimnis vor, da es an angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen gefehlt habe. Es begründet dies insbesondere mit der fehlenden Einhaltung des „Need-to-know-Prinzips“, welches beinhaltet, dass relevante Informationen nur Personen anvertraut werden dürfen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe (potenziell) benötigen und die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Im vorliegenden Fall hatte der Franchisegeber aber selbst erklärt, dass all seine Mitarbeiter Zugriff auf das Intranet und damit die Beiratspräsentation gehabt haben, ohne vorzutragen, dass diese die in der Beiratspräsentation enthaltenen Informationen für ihre Tätigkeit auch benötigen.

Wie man Geheimnisse schützt

Angesichts der Tatsache, dass viele Franchisegeber im passwortgeschützten Intra- oder Extranet auch die Handbücher, die zumeist das Knowhow des Franchisesystems enthalten, sowie Musterformulare und Einkaufskonditionen etc. speichern, wird die Brisanz dieser Entscheidung deutlich. Es müssen daher verschiedene Zugriffsebenen für die Mitarbeiter eines Franchisegebers eingerichtet werden, sodass sichergestellt wird, dass jeder Mitarbeiter nur Zugriff auf die Informationen hat, die er zur Wahrnehmung seiner Aufgaben tatsächlich benötigt. Entsprechendes gilt natürlich auch für etwaige den Franchisenehmern und ihren Mitarbeitern zugängliche Bereiche, wenn diese z. B. auf operative Vorgaben oder digitale Schulungsprogramme zugreifen dürfen. Des Weiteren ist es sinnvoll, die im Intra- bzw. Extranet hinterlegten Dokumente selbst als geheimhaltungsbedürftig zu kennzeichnen, z. B. durch eine entsprechende erläuternde Einweisung oder durch die Verwendung eines Wasserzeichens auf jeder Seite mit dem Begriff „geheim“ erfolgen.

Vorsicht vor verhängnisvollen Fehlern

Die Entscheidung zeigt einerseits, wie wichtig die Einrichtung von angemessenen Schutzmaßnahmen ist und wie schnell Fehler gemacht werden können. Andererseits gibt es einen schier unerschöpflichen Katalog von möglichen technischen, organisatorischen und rechtlichen Geheimhaltungsmaßnahmen, sodass für jedes Problem eine Lösung gefunden werden kann. Es ist nie zu spät, ein wirtschaftlich vertretbares Schutzkonzept zu implementieren und dabei aufgrund der Überschneidungen mit anderen Bereichen wie dem Datenschutzrecht oder dem IT-Sicherheitsrecht Synergieeffekte zu nutzen.

Wichtig ist zudem, dass Franchisegeber Lücken im Hinblick auf Dritte, die Zugang zu ihren Geschäftsgeheimnissen erhalten, identifizieren und schließen. Typische Gefahrenbereiche sind hier zum einen die Einbindung von Kapitalgesellschaften auf Franchisenehmerseite, da deren Gesellschafter nicht per se zur Geheimhaltung verpflichtet sind. Zum anderen gehen manche Franchisegeber leider sehr leichtfertig mit der Einbeziehung enger Familienangehöriger von Franchisenehmern um.

Schließlich dürfen sich Franchisegeber nicht auf ein einmal eingerichtetes Schutzkonzept verlassen. So können beispielsweise installierte Sicherheitsmaßnahmen aufgrund technischer Weiterentwicklungen anpassungsbedürftig werden. Es sind daher in regelmäßigen Abständen Kontrollen durchzuführen und bei Vorliegen eines Verdachtsfalls Maßnahmen zur gezielten Aufklärung zu ergreifen.

Foto: Pixel-Matrix / AdobeStock

DR. VOLKER GÜNTZEL

Der Rechtsanwalt ist Leiter des Franchise- und Vertriebsrechtsteams der Kanzlei BUSSE & MIESSEN, zudem Mitglied des Rechtsausschusses des Deutschen Franchiseverbandes und Mitherausgeber der 4. Auflage des Standardwerks „Franchiserecht“.

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