ALLES UNTER EINEM DACH

Wie eine Vision vor 50 Jahren mit den OBI-Baumärkten das Franchising nach Deutschland brachte.

Im Interview mit Prof. Manfred Maus, OBI GmbH

Interview: Andrea Körner

Wenn OBI-Gründer Manfred Maus von den Anfängen eines der größten Baumarktbetreiber weltweit erzählt, klingt das fast wie ein unternehmerisches Abenteuer. Und tatsächlich: „Ich habe noch nie in meinem Leben gearbeitet“, sagt Maus heute. Es sei immer alles wie ein großes Hobby für ihn gewesen.
Aber der Reihe nach:

Herr Prof. Maus, Sie sind Wegbereiter der Franchisewirtschaft in Deutschland. Wie kamen Sie als einer der ersten Unternehmer auf dieses Geschäftsmodell?

Ich hatte eine Idee, eine Vision, die eigentlich aus einem Konflikt entstand: Beruflich komme ich ja aus der Werkzeugindustrie, und wir haben den Eisenwarenhandel mit Werkzeugen beliefert. Ich wollte gern alles, was man rund ums Haus so braucht, unter einem Dach anbieten. Warum in acht verschiedenen Geschäften kaufen, wenn man das alles auch zusammenfassen kann?

Damit allerdings wäre ich als Einzelhändler zum Wettbewerber meiner bisherigen Kunden geworden, die mir sicherlich nie wieder auch nur einen Hammer abgekauft hätten. Das war ein Problem. Zufällig hörte ich damals bei einer Veranstaltung der American Management Association in New York von Franchising, und das hat mich begeistert! Mir war sofort klar, dass ich nicht in den Konflikt mit meinen Kunden gehe, sondern in Kooperation mit ihnen – mit einer Franchiseorganisation!

Wie ging es dann weiter?

Was ich schon wusste, war, dass man nichts franchisieren darf, was man nicht selbst erprobt hat. Ein solches Geschäft musste ich also selbst erst einmal eröffnen, aus unserer damaligen Firma Lux heraus. Zufällig traf ich damals den Unternehmer Werner Otto, der gerade sein erstes Einkaufszentrum in Hamburg-Poppenbüttel plante – derzeit ein visionäres Konzept, das er völlig begeistert aus den USA importiert hatte. Ihm erzählte ich von meiner Idee, unter einem Dach alles für Hausbesitzer mit Garten anzubieten – von der Tube Klebstoff über die Glühbirne, Farbe, Holz, Werkzeug … Das überzeugte ihn. Schließlich müsse man in einem Einkaufszentrum ja auch Artikel des täglichen Bedarfs anbieten – wie viel Fläche ich denn brauchen würde? Ohne lange zu überlegen einigten wir uns per Handschlag auf 800 Quadratmeter, und damit war die Gründung des ersten selbst finanzierten OBI-Marktes besiegelt, damals in den 70er Jahren.

Illustration: © Dmitriy Domino / Shutterstock.com

Woher der Name OBI?

Damals ging es recht schnell darum, eine Marke aufzubauen – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Darüber diskutierte ich in Toulon mit drei Franzosen, von denen einer ein wenig Deutsch sprach, und der sagte zu mir: „Tapezieren ist mein Obi“, wobei er das Wort „Hobby“ eben französisch aussprach. Wieder zu Hause habe ich die drei Buchstaben gleich als Marke eintragen lassen. Und als Werner Otto kurz vor der Eröffnung in Poppenbüttel wissen wollte, wie das Geschäft denn nun heißen solle, sagte ich ihm: „Schreiben Sie OBI dran.“ Natürlich konnte damit zunächst niemand etwas anfangen. Ich musste aus drei Buchstaben erst eine Marke machen. Heute hat OBI einen Bekanntheitsgrad von 95 Prozent, dank einer Investition in Millionenhöhe, die ein Einzelner gar nicht leisten kann. Ein Franchisepartner aber partizipiert davon enorm.

Die ersten Franchisepartner – waren das eher mutige Pioniere oder clevere Gründungswillige, die die Chancen erkannten?

Franchising war als Geschäftsmodell damals nicht sehr populär, man konnte das Wort ja kaum aussprechen. Ich fing dann an, es mit dem Deutschen Franchiseverband bekannt zu machen. Vorträge habe ich gehalten bei den Fachverbänden der Eisenwaren-, der Auto- und der Baustoffhändler – und dann kamen ganz langsam die ersten Interessenten auf mich zu, die das als Zukunftssicherung für ihre Handelsbetriebe ansahen. So entstanden nach und nach der erste, zweite, dritte, vierte franchisierte OBI-Markt.

Wie viel Überzeugungsarbeit mussten Sie leisten?

Es war unglaublich schwierig, weil man Franchising nicht richtig einordnen konnte. Erklären musste ich das Grundprinzip, dass einmal denken und 100 mal anwenden viel effizienter ist als 100 mal denken und 100 mal anwenden, also die Multiplikation einer Idee. Schon damals stieg der Wettbewerbsdruck, sodass sich viele fragten, wie sie als Familienbetrieb, als Einzelhändler bestehen können. In diese Situation passte die Grundidee des Franchising, von den Vorteilen einer Großorganisation zu profitieren, dabei aber selbstständiger Unternehmer zu bleiben. Die ersten mutigen Händler haben seinerzeit schnell begriffen, dass sie mit unserem Konzept konfliktfrei nicht nur gewerbliche Kunden, sondern auch Privatkunden beliefern können. So entstand langsam der franchisierte Markt mit OBI-Märkten in Nürnberg, im Schwarzwald, im Hessischen – damit kam der Erfolg.

Was hat mehr überzeugt: besondere unternehmerische Werte oder betriebswirtschaftliche Kennzahlen?

An der Harvard Universität habe ich gelernt: You can only change what you measure. Wie erfolgreich ein Modell ist, muss ich also messbar machen, und dazu muss ich Ziele definieren: Im ersten Jahr machen wir Verlust, im zweiten Jahr erreichen wir den Break-even, und im dritten Jahr muss sich das eingesetzte Kapital mindestens mit zwölf Prozent verzinsen. Wenn wir das nachweisen können, dann können wir weitermachen. Dazu brauchten wir mutige Unternehmer, die bereit waren, das Risiko einzugehen.

Zudem musste ich immer wieder erklären, dass Franchising die Dienstleistung einer Gesellschaft ist. Der Unternehmer bleibt selbstständig, mit dem Risiko, Verluste zu machen, aber auch mit der Chance auf den Gewinn. Ich als Franchisegeber bin ebenfalls selbstständig. Es geht also um eine Partnerschaft auf lange Zeit, für die man vorher herausfinden muss, ob man zusammenpasst – nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch charakterlich. Da geht es um Werte wie Zuverlässigkeit. Sie entscheiden darüber, ob eine Franchiseorganisation sich langfristig bewährt.

Ich habe jahrelang mit vielen Banken Verhandlungen geführt. Was nur ganz schwer zu vermitteln war, ist die Besonderheit, dass ich als Franchisegeber nicht besitzen will. Es ist eine Dienstleistung. Das Unternehmen selbst gehört dem Franchisenehmer, der dafür eine Gebühr an den Systemgeber, eine Dienstleistungsgesellschaft, zahlt. Wenn es um Finanzierungen ging, interessierte immer nur das Vermögen als Sicherheit für Kredite. Banken konnten jahrelang mit Franchising nichts anfangen. Erst als die Grundidee verstanden wurde, dass der Franchisegeber wie auch der Franchisenehmer selbstständig bleiben, hat sich das geändert.

Ihre Einschätzung: Wie wird sich Franchising zukünftig entwickeln, welche Perspektiven und Trends sehen Sie, insbesondere auch in Bezug auf die Unternehmenswerte?

Wenn ich in die Zukunft schaue, dann glaube ich, dass Franchising große Möglichkeiten hat. In der digitalisierten Welt entwickeln sich immer neue Dienstleistungsbereiche, die sich franchisieren lassen: Ich denke da an die Gesundheitsbranche mit der Pflege, die Fitnessbranche mit immer neuen Angeboten, die Gastronomie … und es werden mehr werden, in dem Maße, wie auch eine junge Generation nachwächst, die eigene Vorstellungen vom Berufsleben hat. Sie wollen selbstständig sein und kreativ eigene Ideen umsetzen, als Unternehmer mehr als einen Job machen, Sinn finden. Vor allem sind es auch Frauen, denen das in den nächsten Jahren große Möglichkeiten eröffnet, sich selbstständig zu machen – in einer Organisation, in der sie nicht alleine sind, sondern Teil einer Gemeinschaft, deren Idee sie übernehmen und umsetzen.

Die große Herausforderung für neue Konzepte wird darin bestehen, sie konsequent umzusetzen und ihren Nutzen zu definieren. Bei OBI ging es ums Bauen. Das ist aber nur die Tätigkeit. Tatsächlich geht es ums Wohnen – das ist der Grundnutzen unserer Baumärkte für alle Menschen auf der Welt, die ein Dach überm Kopf brauchen. Diesen Nutzen muss ich kommunizieren! Zusammengefasst ist nach meiner jahrzehntelangen Erfahrung in der Führung einer Franchiseorganisation eine auf Werten basierende Unternehmenskultur für den langfristigen unternehmerischen Erfolg entscheidend. Dabei geht es um eine Umsetzungsstrategie, die z. B. basiert auf Vertrauen, Konsequenz, Disziplin, Freiheit, Toleranz und Respekt.

Prof. Manfred Maus

Prof. Manfred Maus begann seine berufliche Laufbahn mit einer Ausbildung im Eisenwarenhandel und studierte später Betriebswirtschaft. Der Unternehmer ist Gründungsmitglied und Ehrenpräsident des Deutschen und des Europäischen Franchiseverbandes, Träger des Bundesverdienstkreuzes und für sein unternehmerisches Engagement hoch dekoriert mit zahlreichen Auszeichnungen. Die Gründung seiner OBI- Märkte feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum – an 654 Standorten in elf Ländern, 354 in Deutschland, und mit rund acht Mrd. Euro Umsatz jährlich.

obi.de

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