TRENDSETTER GEGEN DEN TREND?
Im Interview mit Thomas Kiderlen, VOM FASS AG & Christian Hammer, ’s Fachl GmbH
Interview: Andrea Körner
Zwei Geschäftsideen ganz nah am Kunden Interview: Andrea Körner TRENDSETTER GEGEN DEN TREND? wei Unternehmen, zwei erfolgreiche Konzepte: Schon seit 1994 gibt es die VOM FASS AG, die Kunden „großartige Genussmomente mit gutem Gewissen“ bietet. ’s Fachl ist eigentlich ein Newcomer, hat jedoch in sechs Jahren ebenfalls bemerkenswert Erfolgsgeschichte geschrieben – als „Zuhause unzähliger liebevoll produzierter Köstlichkeiten und Produkte, die man sonst nirgendwo fi ndet“. Beides waren zu Zeiten der Gründung neuartige Ideen, die auf das direkte Produkt- und Einkaufserlebnis setzen – und die Nähe zum Kunden.
Wie haben die Kunden anfangs auf das für sie neue Angebot reagiert, war viel Überzeugungsarbeit zu leisten?
Thomas Kiderlen (T. K.): Bei unserer Gründung vor 27 Jahren gab es noch keinen Online-Handel, zum Einkaufen ging man „in die Stadt“. Wir konnten die Kunden somit direkt vor unseren Geschäften „abholen“. Schon damals wussten wir, mit unseren herausragenden Genussprodukten aus eigener Herstellung oder direkt vom Erzeuger zu begeistern. Maßgeblich waren die Möglichkeit zur Verkostung sowie die individuelle Ab- und Wiederbefüllung. Diese Authentizität hat uns von Anfang an den Weg geebnet und das Unternehmen vomFASS zum Erfolg geführt.
Christian Hammer (C. H.): In Österreich gab es zu Beginn unserer Unternehmung 2015 kein vergleichbares Konzept, schon gar nicht mit einem solchen IT-Informations-Servicelevel. Da war nicht viel Überzeugung zu leisten. Die Vorteile und Möglichkeiten von ’s Fachl wurden schnell erkannt. Derzeit haben wir an fast allen Standorten Wartelisten von bis zu 200 Produzenten.
Heute erfreuen sich die Geschäfte international größter Beliebtheit – wie ist das zu erklären?
C. H.: Drei Faktoren sind hier ausschlaggebend. Zum einen haben wir Franchisenehmer, die das Konzept leben und mit uns sehr eng und fr eundschaftlich zusammenarbeiten, mit gegenseitigem vollem Vertrauen. Andererseits sehen wir einen Wandel im Einkaufsverhalten: Man will wieder wissen, woher Produkte kommen, die Geschichten dahinter erleben, probieren, stöbern und etwas Besonderes finden. Letztlich bieten wir Kleinproduzenten mit nur wenigen Klicks und sehr unbür okratisch die Möglichkeit, ihre Produkte international zu verkaufen. Damit ist die Nachfrage auf allen Seiten sehr hoch.
T. K.: vomFASS ist überall auf der Welt vomFASS – von außen, wie von innen. Die Qualität unserer Produkte ist überall gleich, genau wie unser Konzept „Sehen, Probieren, Genießen“. Die Grundlage ist das Produkt, keine Marketingidee – das spürt und schmeckt der Kunde. Auch in anderen Ländern legt man viel Wert auf gutes Essen und gute Produkte, wie wir Deutschen. Dass Nachhaltigkeit derzeit weltweit ein Thema ist, kommt uns natürlich zupass. Parallel dazu haben wir uns aber auch weiterentwickelt, als Franchisesystem breiter aufgestellt, und sehen uns heute als Full-Service-Anbieter – von der Standortanalyse über den Ladenbau bis hin zur Beratung für die Erstausstattung und für Bestandspartner auch darüber hinaus –, um unseren Partnern den Rücken freizuhalten.
Was steckt dahinter, ein solches u. a. auf Regionalität beruhendes Konzept zu multiplizieren, wie schafft man das logistisch?
T. K.: Da es vomFASS nur als Franchise gibt, nicht als Filialsystem, sind die Partner vor Ort die wichtigste Komponente, denn sie leben die Regionalität in ihrem Geschäft. Bei uns gibt es kaum Multifranchise. Die Partner stehen selbst im Laden, nah am Kunden, um ihr Netzwerk aufzubauen und erfolgreich zu sein. Unser Team in der Zentrale ist mit allen Interessenten und Partnern im engen Austausch. Das ist logistisch durchaus eine Herausforderung, aber bei uns „menschelt“ es ganz stark, und das leben wir auch.
C. H.: Bei uns ist es die innovative und ausgeklügelte IT-Lösung. Unser „Fachl-Management-Tool“ wird von uns laufend weiterentwickelt und ist in dieser Form weltweit einzigartig. Eine Plattform, in der in Echtzeit Warenbestände und Guthaben verwaltet werden können.
Welche Rolle spielt die Kundennähe für den Unternehmenserfolg, insbesondere in Zeiten des Online-Handels?
C. H.: Wir wollen keine Antwort auf den Online- Handel sein, wir wollen zu unseren Wurzeln, zurück zum eigentlichen Einkaufen, Erleben, Entdecken, Wertschätzen. Diese Haptik ist online nicht möglich. Dadurch haben wir die Nähe zum Kunden, die wiederum die Geschichten hinter den Produkten erfahren.
T. K.: Bei vomFASS ist Kundennähe DER Erfolgsfaktor! Den Online-Handel sehen wir nicht als Bedrohung, eher als Ergänzung. Unsere Angebote sind online nicht abbildbar: Sehen und Probieren geht nur im Laden vor Ort. Deshalb ist es so wichtig, dass der Partner im Geschäft seine Kundschaft persönlich kennt, ihre Vorlieben wahrnimmt und natürlich auch bei regionalen Events Präsenz zeigt.
Gab es einen Plan B für die Zeiten des Lockdowns?
C. H.: Nein, das war auch nicht nötig. Schon bei den ersten Anzeichen wurde eine gemeinsame Lösung gesucht. Sowohl im Headquarter als auch die Franchisenehmer haben für sich und die Produzenten Lösungen für alle Eventualitäten erarbeitet. So hatten wir keine Ausfälle und konnten trotz Corona den Verkaufsumsatz für Produzenten um ca. 30 Prozent steigern.
T. K.: Auch bei uns nicht. Wir haben spontan reagiert, und zwar in jedem Land und in jedem Bundesland anders! Da wir zum Lebensmitteleinzelhandel zählten, durften die meisten Geschäfte geöffnet bleiben. Wir haben das Online-Marketing verstärkt, um zu kommunizieren, dass wir weiterhin geöffnet haben. Fast alle Partner hatten einen Lieferdienst, Online-Tastings wurden initiiert – mit teils bis zu 170 Teilnehmern. 2020 konnten wir so 16 Geschäftseröffnungen „feiern“ – ein schönes Zeichen für unsere Krisensicherheit.
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Christian Hammer
Christian Hammer ist einer der Gründer von ’s Fachl. Eine Reportage über „Mietregalkonzepte“ brachte ihn auf die Idee, die er 2015 gemeinsam mit Markus Bauer umsetzte. Heute ist er als Fachlmeister und Zufriedenheitsbeauftragter Teil der Geschäftsführung der ’s Fachl GmbH im Headquarter in Wien, arbeitet intensiv an der Optimierung des IT-Systems und der internationalen Expansion. Mittlerweile gibt es 21 Standorte in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Thomas Kiderlen
Thomas Kiderlen ist Vorstandsvorsitzender der VOM FASS AG und führt den Familienbetrieb in zweiter Generation. Das Unternehmen mit Sitz im Oberschwäbischen Waldburg feierte 2019 sein 25-jähriges Bestehen. Es ist heute mit mehr als 280 Läden in über 30 Ländern vertreten. Das teils in eigener Manufaktur hergestellte Sortiment reicht von erlesenen Essigen und Ölen über exklusive Feinkostprodukte wie Chutneys, Gelees, Nudeln und Pestos bis hin zu Weinen und Spirituosen.